Das Bänkli vor dem Schulhaus

Der Elternabend ist für 18:30 Uhr angesagt. Ich treffe eine Stunde früher vor Ort ein. Ich komme anders als beim letzten Besuch von der Busstation her und «erklimme» die steile Anhöhe zum Schulhaus mit der Treppe, die mir [Stefan] beim letzten Besuch gezeigt hat. Beim Ankommen suche ich nach dem Bänkli, auf dem Stefan das letzte Mal gesessen hatte, als er auf mich wartete. Dieses Bild des Ankommens hat sich mir klar und deutlich eingebrannt. Ich kann das Bänkli aber nicht mehr finden und denke mir, dass es an meiner Orientierung liegt, da ich das Schulhaus nun von einer anderen Perspektive aus sehe.

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Ich nutze die Zeit, um mich kurz beim Fachbegleiter von [Stefan] zu melden, den ich beim Eintreten im 1. Stock in einen Raum verschwinden sehe. Ich frage ihn, ob es noch einen anderen Zugang ins Schulhaus gebe und nach dem Bänkli vor dem Schulhaus. Er weist mich in das Untergeschoss durch einen für mich neuen Treppenabstieg. So komme ich direkt beim Klassenzimmer an, in dem der Elternabend stattfinden wird.

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Ich richte mich kurz auf dem Bänkli vor dem Klassenzimmer der 6. Klasse ein, besuche die Toilette und erkunde den Bereich der beiden Kindergärten. Es ist ruhig im Schulhaus, in einem Klassenzimmer arbeitet eine Lehrerin. Sie begrüsst mich freundlich.

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Nun warte ich vor dem Schulzimmer, in dem der Elternabend stattfinden wird, gucke rasch, ober der Riegel geschoben ist und frage mich, ob ich klopfen soll. Womöglich bereitet sich der Stellenpartner von [Stefan] aber vor. Ich will nicht stören, setze mich wieder hin und warte. Das kann ich gut und geduldig. Ich bin etwas aufgeregt.

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Um Viertel nach sechs springt die Türe auf und der Stellenpartner tritt heraus. Wir begrüssen uns, er geht geschäftig von dannen, ich warte wieder. Als er zurückkommt, frage ich, ob ich eintreten darf. Ich darf.

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Im Klassenzimmer sind die Pulte mehrheitlich zu Blöcken zusammengestellt. Die Sitzplätze sind mit bunten Namenskärtchen markiert. Ich frage, ob sich die Eltern an den Platz ihres Kindes setzen werden. Ja, werden sie. Ich frage weiter, ob ich den Elternabend audiographisch aufzeichnen darf. Der Stellenpartner sagt mir, dass nicht alle Eltern ihr Einverständnis für Aufzeichnungen gegeben habe. Er holt mir die unterschriebenen Erklärungen hervor, eine fehlt noch. Ich sichte sie und stelle ein breites Einverständnis fest. Damit, dass ich nur das, was der Stellenpartner sagt, aufzeichne, ist er einverstanden.

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Ich suche selber nach einem Platz, überlege, ob es das Sofa sein soll, entscheide mich dann aber für einen Stuhl am Fensterbrett.

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Stefan kommt hinzu. Wir begrüssen uns. Er zeigt mir das Englischlehrmittel und erklärt, dass er den Zugang für die Onlinematerialien gefunden habe.

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Wir warten. Ich bin nervös, der Stellenpartner, der im Lead steht, nach eigenen Aussagen nicht. Er wirkt gelassen.

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Das erste Elternpaar trifft ein und begrüsst mich und [Stefan] mit Handschlag. Nach und nach treffen andere Eltern ein. Der Stellenpartner und [Stefan] empfangen sie vor der Tür. Ich setze mich und bemühe mich, freundlich zu gucken.

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Das Aufnahmegerät läuft. Der Elternabend beginnt pünktlich mit der Eröffnung: «So, guten Abend miteinander. Ich begrüsse Sie ganz herzlich zum Elternabend, den letzten glaube ich für die meisten bei mir.»

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Ich habe Gelegenheit, mich und das Forschungsprojekt TriLAN-B vorzustellen. Das ist mir wichtig, um das Feld zu ebnen für die anstehenden Unterrichtsbesuche und weitere Datenerhebungen im Rahmen der Fachbegleitung und der Elternzusammenarbeit.

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Der Elternabend verläuft strukturiert entlang von Informationen auf Folien, die der Stellenpartner, neben der Leinwand stehend, mit einem Tablet navigiert.

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Nach dem Elternabend kommt ein Vater zu mir. Er erklärt mir, dass sein Sohn nicht aufgezeichnet werden wolle, sie als Eltern würden aber gerne für Datenerhebungen zur Verfügung stehen. Mir gefällt das.

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Nach knapp einer Stunde sind die Informationen abgeschlossen. Es entstehen hier und da Gespräche, danach löst sich das Treffen auf. Ich mache mich mit [Stefan] auf den Weg zur Busstation. Draussen vor dem Schulhaus frage ich ihn, wo denn nun dieses Bänkli stehe, auf dem er beim letzten Treffen auf mich gewartet habe. [Stefan] mein, er habe nicht auf einem Bänkli gewartet, sondern auf einem Stein. Ich bin erstaunt, denn ich hätte schwören können, dass da ein Bänkli war. Ich kann es klar vor meinem geistigen Auge sehen. «Schon erstaunlich, was einem das Gehirn vorgaukelt», meint [Stefan]. Das finde ich auch. Ich bin konsterniert. Ich dachte, ich hätte eine gute Beobachtungsgabe. Was ist da passiert?

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Beim nächsten Besuch werde ich nochmals ganz genau schauen, ob da nicht doch ein Bänkli ist. Ich ahne aber, dass ich mich den Begrenzungen der Beobachtng stellen muss.

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